Die US-amerikanische Künstlerin Cindy Sherman gehört zu den einflussreichsten Fotografinnen und Fotografen unserer Zeit. Ihr Ansatz, den eigenen Körper ins Zentrum aufwendiger Inszenierungen zu rücken, ohne je ein Selbstporträt zu produzieren, geschieht häufig mit Hilfe des pointierten Einsatzes von Mode. Vom 21. April bis zum 10. September widmet die Staatsgalerie Stuttgart dem komplexen Verhältnis der Fotografin zur Haute Couture mit der Ausstellung »Anti-Fashion« eine außergewöhnliche und facettenreiche Werkschau.

Seit knapp 50 Jahren zieht sich das Thema Mode wie ein roter Faden durch das Schaffen der Fotografin Cindy Sherman. Von Anfang an ist ihre Auseinandersetzung mit der Modewelt von einer subversiven Kraft geprägt. Die von Dr. Alessandra Nappo kuratierte Ausstellung »Anti-Fashion« beleuchtet das fotografische Werk der 1954 geborenen Künstlerin zum ersten Mal aus dieser bislang wenig beachteten Perspektive. Sherman, die schon für erste fotografische Arbeiten während ihrer College-Zeit in Second-Hand-Läden nach passender Kleidung Ausschau hält, verdeutlicht mit ihrem Werk das ambivalente Wechselspiel zwischen Mode und Kunst wie kaum eine andere Künstlerin. Durch das Medium der Fotografie stehen die Modewelt und die Bildende Kunst seit jeher im Dialog. Cindy Sherman nutzt diese wechselseitige Beziehung, um die auf Klischees und gesellschaftlichen Normen beruhende Ästhetik der Modefotografie zu karikieren und zu hinterfragen. Ihre Fotografien zeigen Menschen, die alles andere als begehrenswert sind und den Konventionen von Schönheit widersprechen. Auch kritische Fragen nach Genderzuordnungen und nach dem Umgang mit dem Altern werden aufgegriffen. Shermans beeindruckende Wandelbarkeit betont dabei die Künstlichkeit von Identitäten, die mehr denn je wählbar, (selbst-)konstruiert und fließend erscheinen. Neben ihrer Auseinandersetzung mit den Abgründen der Modewelt ist für Shermans Arbeit vor allem kennzeichnend, dass sie bereits vom Beginn ihrer Karriere an Stereotypen aufdeckt und dadurch den aktuellen Diskurs seit Jahrzehnten prägt. Shermans Fotografien lassen keinen unberührt, sie begeistern, schockieren und faszinieren gleichermaßen. "Sie tragen dazu bei, dass wir Mode heute mit anderen Augen sehen können. Ihre Fotografien haben unsere Vorstellung von Schönheit und Mode verändert", so die Direktorin der Staatsgalerie, Prof. Dr. Christiane Lange.

Gilt für ihre international viel beachtete Serie »Untitled Film Stills« (1977–1980) noch die Filmkunst als Hauptquelle der Inspiration, setzt sich Sherman in den 1980er-Jahren zunehmend mit der Ästhetik und Anziehungskraft der Modefotografie auseinander. Neben ihren kritischen Arbeiten steht Sherman auch immer wieder selbst für Modeunternehmen wie Chanel vor bzw. hinter der Kamera und fertigt Aufnahmen an, die von Designerinnen und Designern wie Rei Kawakubo oder Marc Jacobs im Rahmen des Marketings ihrer Unternehmen Verwendung finden. Sherman nutzt auch ihre Aufträge von Modemagazinen wie Vogue und Harper’s Bazaar, um den schmalen Grat zwischen Kleidung und Verkleidung zu reflektieren (Serie »Clowns«, 2003-2005) oder, wie in der Serie »Balenciaga« (2007/2008), den tragikomischen Bemühungen einer nach ewiger Jugend strebenden Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Das Ergebnis ist ein vielschichtiges Werk, das Mode(n) vorführt, indem es sie zur Schau stellt, ja auf die Spitze treibt. Mit ihrer lebenslangen Faszination für eine Fashionindustrie zwischen visuellem Versprechen und menschlicher Selbsttäuschung beeinflusst Sherman bis heute die Ästhetik der Modewelt und setzt dabei ganz wesentliche Impulse, auch für eine ganze Generation von Fotografinnen und Fotografen. Neben Shermans Werken sind auch Publikationen und Werbematerialien ausgestellt, in deren Kontext die betreffenden Fotografien erstmalig veröffentlicht wurden. Diese Magazine, Postkarten, Plakate und Einladungskarten stammen aus den privaten Archiven der Künstlerin und sind eine exklusive Leihgabe von Cindy Sherman.

Der Katalog zur Ausstellung umfasst 168 Seiten »Cindy Sherman – Anti-Fashion« und ist in deutscher und englischer Sprache im Sandstein-Verlag erschienen. Darin finden sich Aufsätze von Dr. Alessandra Nappo, Prof. Dr. Hanne Loreck und Katharina Massing. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit Cindy Shermans Studio in New York und ihrer Galerie Hauser & Wirth und ist anschließend in den Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg und dem FOMU – Fotomuseum Antwerpen zu sehen.

168 Seiten
in deutscher und englischer Sprache
2023

Museum: Staatsgalerie Stuttgart

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